Der Europäische Gerichtshof nimmt in einem aktuellen Urteil vom 26.03.2020 Stellung zur erforderlichen Form von Informationen in Verbraucherkreditverträgen. Ein Widerruf, auch von Altverträgen, erscheint wieder möglich.
Mit dem „Widerrufsjoker“ für Verbraucherkreditverträge hatten wir hierzulande bereits zu tun. Dieser ermöglichte aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung und damit letztlich nicht laufender Widerrufsfrist ein ewiges Widerrufsrecht, auch und gerade für sogenannte Altverträge.
Die „Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ hat dieser Situation ein Ende bereitet. Sie trat am 21. März 2016 in Kraft und bewirkte, dass betroffene Darlehensverträge – also solche mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung – nicht mehr wegen dieser fehlerhaft erteilten Widerrufsbelehrung widerrufen werden konnten. Das Widerrufsrecht erlosch hiernach spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist am 21. Juni 2016.
Das aktuelle Urteil
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lässt nun mit einem aktuellen Urteil vom 26.03.2020, Az. C-66/19, aufhorchen.
Dieses könnte zu einer Neuauflage des Widerrufsjokers für tausende Darlehensverträge in Deutschland führen. Betroffen sind nämlich ein Großteil der von Banken und Sparkassen verwendeten Verträge zwischen Juni 2010 und 2016.
Der EuGH führt in seinem Urteil aus, dass eine bestimmte in Widerrufsbelehrungen verwendete Formulierung – nämlich eine Verweisung auf eine nationale Rechtsnorm – den Verbraucher nicht in klarer und prägnanter Form informiere.
Dies sei mit der Richtlinie 2008/48 nicht zu vereinen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 26.03.2020, Az. C-66/19, Rz. 49.
Er bezieht sich dabei auf Erwägungsgrund 31 der Richtline 2008/48, der klarstellt:
„Alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.“
Weiter klärt Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 über zwingende Angaben in Kreditverträgen auf und regelt:
„Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:
[…]
p) das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts, einschließlich der Angaben zu der Verpflichtung des Verbrauchers, das in Anspruch genommene Kapital zurückzuzahlen, den Zinsen gemäß Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe b und der Höhe der Zinsen pro Tag“.
Der EUGH meint daher, die Verweisung auf nationale Regelungen in einem Verbrauchervertrag sorge letztlich dafür, dass der Verbraucher auf der Grundlage dieses
„Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen [kann], ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.“
EuGH, Urteil vom 26.03.2020, Az. C-66/19, Rz. 44
Auswirkungen
Grundsätzlich hat die Entscheidung des EuGH Auswirkungen auf alle Verbraucherkreditverträge, seien es Konsumdarlehen, Kfz-Finanzierungen, Leasingverträge oder Immobiliendarlehen.
Soweit der geschlossene Kreditvertrag einen entsprechenden Verweis enthält, würde dies dazu führen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann. Dies betrifft eine Vielzahl von Verträgen aus dem Zeitraum Juni 2010 bis März 2016.
Ein Widerruf des entsprechenden Vertrags erscheint daher auch zum jetzigen Zeitpunkt möglich.
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Autor: Christoph Schmitt