Rechtsprechung: BAG zu Körperreinigungszeiten als Arbeitszeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied aktuell am 23.04.2024, Az. 5 AZR 212/23, dazu, ob Zeiten, die zur Körperreinigung verwendet werden, vergütungspflichtige Arbeitszeit sein können.

Das Bundesarbeitsgericht bejahte diese Frage letztlich,

wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. April 2024, Az. 5 AZR 212/23, Leitsatz

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt eines sogenannten Containermechanikers zugrunde, der im Rahmen seiner Tätigkeit eines „In-Ordnung-Bringens“ von Containern, die auf Wechselbrücken geladen das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung vornimmt. Bei solchen Arbeiten konnte der Mechaniker von dem Arbeitgeber gestellte Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske tragen. Nach der Arbeit begab er sich zurück zum Umkleideraum und wusch oder duschte sich.

Zeiten zum An- und Ablegen von Arbeitskleidung

Das Gericht führte in vorgenannter Entscheidung zunächst etwas weiter aus und wiederholte auch bei Zitierung vorheriger Entscheidungen, dass die Zeiten für das An- und Ablegen von Arbeitskleidung vergütungspflichtige Arbeitszeit sei. Diese beruhe auf der entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung. Das Umkleiden sei in diesem Fall ausschließlich fremdnützig. Daher schulde der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit.

vgl. BAG 13. Oktober 2021, Az. 5 AZR 270/20 – Rn. 19; 15. Juli 2021, Az. 6 AZR 207/20 – Rn. 31

Wegezeiten zum Umziehen

Das Gericht führte in der Entscheidung weiter aus, dass auch die Zeiten für den Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück vergütungspflichtige Arbeitszeit sei. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Arbeitskleidung und der damit verbundene Zeitaufwand – auch zum Aufsuchen des Umkleideraums – beruhe ebenfalls auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit.

Körperreinigungszeiten

Für die höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage, ob Körperreinigungszeiten (also das Waschen oder Duschen nach der Arbeit) vergütungspflichtige Arbeitszeit sei, betrachtete das Bundesarbeitsgericht letztlich die Frage, was zu der „im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung“ im Sinne von § 611a
Abs. 1 BGB zähle. In diesem Paragrafen nennt das Gesetz den „Arbeitsvertrag“ und regelt in Absatz 1 Satz 1:

Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.

Wortlaut § 611a Abs. 1 S. 1 BGB

Zur Leistung zähle nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern letztlich jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder auch der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. Denn der Arbeitgeber verspreche die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlange. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen sei daher jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene. (BAG, Urteil vom 23. April 2024, Az. 5 AZR 212/23, Rz. 19)

Ausgehend von Kriterien der Rechtsprechung zu Umkleidezeiten seien Körperreinigungszeiten dann als Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhingen und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen. (BAG, Urteil vom 23. April 2024, Az. 5 AZR 212/23, Rz. 25)

Dieser unmittelbare Zusammenhang komme in zwei Fallgruppe in Frage:

a. Der Arbeitgeber ordne die Körperreinigung ausdrücklich an oder zwingende arbeitsschutzrechtliche
Hygienevorschriften verlangen eine solche, weil der Arbeitnehmer etwa bei der Arbeit mit gesundheitsgefährdenden Stoffen oder verunreinigten Gegenständen in Berührung komme.

b. Der Arbeitnehmer werde bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause – sei es durch Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs oder durch Nutzung eines eigenen Fahrzeugs – ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden könne. Dabei komme es auf den Einzelfall je nach Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie der getragenen Arbeitskleidung, dem mit der Arbeitsleistung verbundenen Ausmaß der Verschmutzung und der sich daraus ergebenden erforderlichen Art und Dauer der Körperreinigung an.

Fazit

Körperreinigungszeiten, also insbesondere das Duschen, kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein, wenn es mit der Art und Weise der Arbeitsleistung unmittelbar zusammenhängt; die Erbringung der Arbeitsleistung also ohne anschließendes Duschen bei wertender Betrachtung nicht möglich erscheint und der damit gesamte Vorgang – arbeiten und duschen – fremdnützig ist.

Erfolgt ein Waschen jedoch, um übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, so dient das nach dem Bundesarbeitsgericht der Befriedigung privater Bedürfnisse und sei damit nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig.

Es kommt also, wie so häufig, auf den konkreten Einzelfall an.


Autor: Christoph Schmitt